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Paternalism Attitudes and the Happiness Value of Fundamental Freedoms

Autor: 

Kai A. Konrad / Sven A. Simon

Um seine Bürger vor eventuell selbstschädigendem Verhalten zu schützen, schränkt der Staat individuelle Freiheiten in vielen Bereichen ein. Prominente Beispiele sind die Gurtpflicht im Auto oder das Verbot bestimmter Drogen. Doch wie reagieren die Einzelnen darauf? Empfinden sie es als willkommene Fürsorge oder unerträgliche Bevormundung – oder etwas dazwischen? Und kann man die unterschiedlichen Einstellungen messen? Kai A. Konrad und Sven A. Simon entwickeln hierzu einen Indikator, den „Paternalism Preference Index“, und validieren diesen in einer großangelegten Studie. Zudem untersuchen sie den Einfluss der individuellen Paternalismus-Präferenz auf die Relevanz persönlicher Freiheiten für die Lebenszufriedenheit.

Paternalistische Staatseingriffe bedürfen einer sorgfältigen Abwägung. Einerseits können Vorschriften und Verbote selbstschädigendes Verhalten reduzieren. Anderseits schränken diese aber persönliche Freiheiten ein und gehen damit auf Kosten größtmöglicher Wahlfreiheit.

Konrad und Simon gehen in ihrem Beitrag der empirischen Fragestellung nach, ob und in welchem Ausmaß Individuen vom Staat vor sich selbst „geschützt“ werden wollen oder ob sie auf ihrer Freiheit beharren. Hierzu entwickeln sie einen innovativen Fragenkatalog, den „Paternalism Preference Index“. Dieser misst die individuelle Zustimmung bzw. Ablehnung zu verschiedenen paternalistischen Eingriffen und erlaubt Rückschlüsse über die generelle Paternalismus Einstellung.

Die Ergebnisse der Studie mit über 5500 Teilnehmenden in Deutschland deuten auf beträchtliche Unterschiede zwischen den Menschen hin. Einige Menschen sind generell paternalismus-kritisch, andere paternalismus-zugeneigt. Vielfach hängt die Einstellung aber vom Politikfeld ab: Während beispielsweise in der Drogenpolitik die Mehrheit paternalistischen Eingriffen positiv gegenübersteht, möchte sie in der Rentenpolitik selbst entscheiden, wann und wie viel sie auf die eigene Rente sparen.

Konrad und Simon untersuchen auch die Relevanz der Paternalismus-Einstellung für die Wertschätzung persönlicher Freiheiten. Der Zeitpunkt des Umfrageexperiments während der Frühphase der COVID-19-Pandemie bot eine einmalige Gelegenheit, diese Frage zu beleuchten: Die Menschen waren mit einer plötzlichen und unübertroffenen Einschränkung ihrer persönlichen Freiheitsrechte konfrontiert.

Es zeigt sich, dass in der Studie paternalismus-kritische Menschen von einem signifikant größeren Verlust an Lebenszufriedenheit im Zuge der Pandemie berichten als paternalismus-zugeneigte Menschen. Wichtiger ist jedoch, dass paternalismus-kritische Menschen Einschränkungen ihrer persönlichen Freiheit für einen überproportional großen Anteil am Rückgang ihrer Lebenszufriedenheit während der Pandemie verantwortlich machen. Dies legt nahe, dass die Abneigung gegenüber paternalistischen Eingriffen mit einer größeren Wertschätzung von persönlichen Freiheiten verbunden ist.

 

Veröffentlichung:   Konrad, K. A. und Simon, S. A., 2025. Paternalism Attitudes and the Happiness Value of Fundamental Freedoms. Economics of Governance. Open Access: DOI 10.1007/s10101-024-00322-y