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Anzeigepflichten für Steuergestaltungsmodelle in Deutschland

Das Max-Planck-Institut für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen legt ein Gutachten zum Thema „Anzeigepflichten für Steuergestaltungsmodelle in Deutschland – Hinweise für eine zulässige und zugleich effiziente Regelung“ vor. Auftraggeber ist das Bundeministerium der Finanzen.

Eine überarbeitete Fassung des Gutachtens ist im Springer-Verlag in der Reihe MPI Studies in Tax Law and Public Finance erschienen.

Gegenstand des am 30.07.2015 erteilten Forschungsauftrags war, die rechtlichen Rahmenbedingungen und den zweckmäßigen Zuschnitt einer Anzeigepflicht herauszuarbeiten, die Gesetzgeber und Verwaltung frühzeitig über Steuervermeidungsstrategien und etwaigen Handlungsbedarf informieren soll (rechtspolitische Zielsetzung). Mit der Anzeigepflicht widmet sich das Forschungsvorhaben einem Instrument, das sich international zunehmender Beliebtheit erfreut und das von der OECD in ihren Arbeiten zu BEPS zur Bekämpfung aggressiver Steuervermeidung ausdrücklich empfohlen wird.

Dr. Christine Osterloh-Konrad, Dr. Caroline Heber und Dr. Tobias Beuchert haben dem BMF am 15.07.2016 ein abschließendes Gutachten vorgelegt, in dem sie die verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Grenzen von Anzeigepflichten für Steuergestaltungen ebenso untersuchen wie Fragen der möglichen Ausgestaltung eines solchen Instruments im deutschen Steuerverfahrensrecht.

Die wesentlichen Ergebnisse des Gutachtens lassen sich wie folgt zusammenfassen:

1. Eine rechtspolitisch ausgerichtete Anzeigepflicht für Steuergestaltungen lässt sich in verfassungsrechtlich und europarechtlich zulässiger Weise in das deutsche Steuerverfahrensrecht implementieren, insbesondere wenn sie sich auf Gestaltungen von besonderem Informationsinteresse beschränkt und die grenzüberschreitende Steuergestaltung nicht stärker belastet als rein innerstaatliche Sachverhalte. Europarechtliche Bedenken bestehen gegen einen Sondertatbestand für internationale Steuergestaltungen. Verfassungsrechtlich problematisch wäre ein System, das versuchen würde, alle aus Sicht des Fiskus möglicherweise unerwünschten Gestaltungen zu erfassen, weil dies zu einer übermäßigen Belastung von Beratern und Steuerpflichtigen führen würde; ein solches System wäre auch für die Verwaltung nicht handhabbar.

2. Eine rechtspolitisch ausgerichtete Anzeigepflicht lässt sich als taugliches Instrument zur Förderung steuerlicher Belastungsgleichheit einsetzen, da es dazu beitragen kann, durch Gesetzesänderungen frühzeitig systemwidrige Lücken im Steuersystem zu schließen und Möglichkeiten zu internationaler Steuerarbitrage zu verringern. Daneben kann die Anzeigepflicht auch dem gleichmäßigeren Steuervollzug dienen, weil sie eine einheitlichere Handhabung geltenden Rechts im Bereich steuerlich motivierter Gestaltungen fördert. Der Erfolg des Instruments hängt aber wesentlich nicht nur von seiner Ausgestaltung, sondern auch davon ab, ob die aus den Anzeigen gewonnenen Erkenntnisse später sinnvoll verwendet werden. Insofern gilt es insbesondere, die Gefahr unüberlegter gesetzgeberischer „Schnellschüsse“ gegen vermeintlich missbräuchliche Gestaltungen im Auge zu behalten.

3. Entscheidet sich der Gesetzgeber für die Einführung einer rechtspolitisch ausgerichteten Anzeigepflicht, so sollten modellhafte Steuergestaltungen wie etwa das Cum-Ex-Modell, die auf wiederholte Umsetzung angelegt sind und weitgehend unabhängig von der konkreten Situation des Steuerpflichtigen implementiert werden können, ihren Kernbereich bilden. Denn derartige steuerliche „Produkte“ bergen die Gefahr erheblicher Einnahmeausfälle und stellen die Belastungsgleichheit in besonderer Weise in Frage. Beschränkt sich die Anzeigepflicht auf modellhafte Gestaltungen, so minimiert dies außerdem ihre belastende Wirkung, da sie auf die „klassische“ Steuerberatung nicht zugreift, sondern nur auf einen Teilmarkt besonders aggressiver Steuerplanung.

4. Denkbar erscheint auch eine Erweiterung der Anzeigepflicht auf innovative Steuergestaltungen, die in der Fachwelt bisher nicht offen diskutiert werden, denn auch diesbezüglich besteht ein gesteigertes Informationsbedürfnis des Fiskus. Hier gilt es aber, das Für und Wider sorgfältig abzuwägen, da sich der Innovationsgehalt einer Gestaltung tatbestandlich schwer erfassen lässt und die Anzeigepflicht dann auch die „klassische“ Steuerberatung betreffen würde.

5. In einer abschließenden Bewertung spricht sich das Gutachten nachdrücklich dafür aus, die Einführung einer Anzeigepflicht zu ergänzen durch eine Maßnahme zur Verbesserung der Steuerplanungssicherheit für die Steuerpflichtigen und ihre Berater, beispielsweise durch eine Öffnung der verbindlichen Auskunft für steuermotivierte Gestaltungen. Denn legitim ist nicht nur das Interesse des Gesetzgebers daran, über aus seiner Sicht unerwünschte Gestaltungsmöglichkeiten frühzeitig informiert zu werden; ebenso legitim ist das Interesse der Steuerpflichtigen daran, unter weitgehender Rechtssicherheit planen zu können. Die Verbesserung der Transparenz im Steuersystem sollte keine Einbahnstraße sein.

Gutachten "Anzeigepflicht für Steuergestaltungsmodelle in Deutschland – Hinweise für eine zulässige und zugleich effiziente gesetzliche Regelung"

Auftraggeber: Bundesministerium der Finanzen

Autoren: Dr. Christine Osterloh-Konrad, Dr. Caroline Heber, Dr. Tobias Beuchert

Forschungszeitraum: 30.07.2015 - 15.07.2016

PDF-Download des Gutachtens

Osterloh-Konrad, Christine / Heber, C. / Beuchert, T.: Anzeigepflichten für Steuergestaltungen in Deutschland. MPI Studies in Tax Law and Public Finance, Volume 7, 2017, Berlin Heidelberg, Springer, XIII + 157 p.

Published:   MPI Studies in Tax Law and Public Finance.