Nachhaltige Initiativen wie die „Waldstrategie für 2030“ der Europäischen Union setzen sich für den Schutz des europäischen Waldes ein. Doch welche Auswirkungen haben solche Maßnahmen auf Wälder in Ländern, die ihn nicht schützen können oder wollen? Dieser Frage geht Ökonom Afiq bin Oslan in seiner Studie 'When Environmental Protections Backfire at Home and Abroad' nach.
Mit spieltheoretischen Modellen zeigt Ökonom Afiq bin Oslan, dass Umweltpolitik, die wirtschaftliche Interessen ausblendet, scheitern wird. © Firefly (grüner Wald unter Glasglocke)
Dürren, Brände, Stürme – Wälder sind in Zeiten globaler Erwärmung besonders gefährdet. Dabei werden sie dringend als Speicher des klimaschädlichen Treibhausgases C02 gebraucht. Industrieländer übernehmen häufig die Vorreiterrolle in Sachen Wald- und Umweltschutz. Mittels Initiativen und Gesetzen wird versucht, die Natur vor Ort zu schützen und wiederherzustellen. Gleichzeitig nutzt die heimische Wirtschaft die Ressourcen anderer Länder. Japans Waldgeschichte illustriert die Problematik; der japanische Archipel gehört mit 68,5 % Waldlandfläche zu den am dichtesten bewaldeten Gegenden der Welt. Während sich die japanische Regierung seit den 1960er Jahren erfolgreich für den Schutz der heimischen Wälder einsetzte, trieben japanische Unternehmen die Abholzung der Regenwälder in Malaysia, Indonesien und den Philippinen massiv voran, um den heimischen Holzbedarf für die Bau-, Zellstoff- und Papierindustrie zu decken.
Unser Senior Research Fellow Afiq bin Oslan fragt, ob diese Dynamik auch Auswirkungen auf die Umwelt der Industriestaaten hat. Diese Frage hat zur Entwicklung einer Reihe von einfachen spieltheoretischen Modellen geführt, die zum Verständnis der subtileren Dynamik des Umweltschutzes und seiner unbeabsichtigten Folgen beitragen. Das Modell geht davon aus, dass beide Regierungen ihre Umwelt schützen wollen, da es – auch im Hinblick auf die politische Außenwirkung – sinnvoll erscheint. Allerdings können sich nicht beide Regierungen gleichzeitig für den Umweltschutz entscheiden, da der Mangel an Ressourcen die Wirtschaft zum Erliegen bringen würde. Daher wird eine Regierung nachgeben und die Ausbeutung ihrer Ressourcen zulassen. Bin Oslan fügt seinem Modell weitere Figuren hinzu: die Umweltakteure vor Ort, die verantwortlich dafür sind, dass die Entscheidung der Regierung in die Tat umgesetzt wird (oder auch nicht) – d. h. sie entscheiden, ob die Ressource tatsächlich gemäß der Regierungspolitik geschützt oder ausgebeutet wird. Das Modell zeigt, dass die Umweltakteure (Förster, Waldbesitzerinnen und andere lokale Interessengruppen) ihr Interesse an der Erhaltung ökologischer Ressourcen verlieren, wenn sie – bedingt durch die Politik der Regierung – keinen wirtschaftlichen Nutzen mehr aus solchen Aktivitäten ziehen können. Der lokalen Umwelt droht Vernachlässigung und Aufgabe. Dies war auch in Japan der Fall: Als importiertes Holz das einheimische Holz verdrängte, zogen sich die Waldbesitzer zurück, da die Wälder für sie unrentabel wurden. Die heimischen Wälder verwilderten und verloren ihren Wert als Erholungs- und Wirtschaftsraum. Bin Oslans Studie zeigt, dass Regierungen sowohl die Wälder ihrer Handelspartner und Handelspartnerinnen als auch ihre eigenen Wälder gefährden, wenn Waldschutzstrategien nicht mit den Interessen vor Ort in Einklang gebracht werden können.
Komplexe und verflochtene Netzwerke
Die Studie warnt daher vor unüberlegten Umweltschutzbemühungen: Wenn lokale Gesetze den Umweltschutz stärken, ohne die Nachfrage nach der Ressource zu ändern, werden die negativen Umweltfolgen nur an einen anderen Ort verlagert. Wichtiger wäre es, für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung ein Gleichgewicht zwischen ökologischen und wirtschaftlichen Interessen vor Ort herzustellen. Bin Oslan schlägt vor, dass die Regierungen der Industrieländer direkte Beziehungen zu den Interessengruppen an Umweltressourcen aufbauen sollten. Dieser Ansatz ist seiner Meinung nach entscheidend für die Schaffung eines harmonischen Gleichgewichts zwischen Umweltschutz und wirtschaftlicher Entwicklung. So ließen sich auch die neuen Forststrategien der EU nachhaltig unterstützen.
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When Environmental Protections Backfire at Home and Abroad by Afiq bin Oslan :: SSRN
Oktober 2024