Die Steuerpolitik in Deutschland steht vor der Herausforderung, auf den internationalen Steuerwettbewerb reagieren zu müssen, ohne dabei die Schranken staatlicher Steuersouveränität zu verletzen. Die wichtigste Grenze steuerpolitischer Gestaltungsfreiheit in Deutschland bilden die Grundrechte des Grundgesetzes und die Europäischen Grundfreiheiten.
Ein zentrales steuerverfassungsrechtliches Problem ist die zunehmende Verbreiterung der ertragsteuerlichen Bemessungsgrundlage. Der internationale Steuerwettbewerb wird vor allem über die Höhe der Steuersätze geführt. Ziel ist es, im internationalen Vergleich optisch niedrige Steuersätze auszuweisen. Gleichzeitig soll wegen der angespannten Lage der öffentlichen Haushalte die Senkung der Steuersätze nicht zu einer Verminderung des Steueraufkommens führen. Um beiden Prämissen gerecht zu werden, wird die Bemessungsgrundlage verbreitert. Die Folge ist eine Verschiebung steuerlicher Lasten, da die Profiteure der niedrigeren Steuersätze nicht notwendig mit den von den Gegenfinanzierungsmaßnahmen Betroffenen identisch sind. Dies ist insbesondere im Hinblick auf das Gebot der gleichmäßigen Belastung der Steuerpflichtigen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit problematisch. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich das Bundesverfassungsgericht in jüngster Zeit verstärkt mit dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers im Hinblick auf die ertragsteuerliche Bemessungsgrundlage befassen muss.
Vor allem im grenzüberschreitenden Kontext wird die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers zusätzlich durch die Europäischen Grundfreiheiten beschränkt. Spektakuläre Urteile des Europäischen Gerichtshofs haben klassische Regelungen des deutschen, ausländischen und internationalen Steuerrechts in Frage gestellt und nicht nur zu erheblichen Haushaltseinbußen geführt, sondern auch Zweifel an der Zukunftsfähigkeit der nationalen Steuersysteme begründet. Wie kann mitgliedstaatliche Steuersouveränität unter dem Rahmen offener Märkte überhaupt noch wahrgenommen werden? Kommt es zu verstärktem Harmonisierungsdruck oder einem „race to the bottom“ im europäischen Steuerrecht?
Die Abteilung Unternehmens- und Steuerrecht verfolgt diese Fragestellungen auf mehreren Ebenen: Sie begleitet die aktuelle Judikatur des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs zum Steuerrecht und analysiert vertieft wesentliche Probleme des Steuerverfassungsrechts und des europäischen Unternehmenssteuerrechts. Ferner wird die steuerliche Harmonisierung auf Angemessenheit und sachliche Überzeugungskraft hin untersucht. Einen besonderen Schwerpunkt bilden dabei die Maßnahmen für und gegen den („schädlichen“?) Steuerwettbewerb in Europa.
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